Unteres Schlössle – von Witwensitz bis Metzgerei

Unteres Schlössle

Unteres Schlössle – von Witwensitz bis Metzgerei

„Als man zählet 1563 Jahr, dieses Haus zu Lieb aufgebauet war Jungfrau „Walburg“, Marschallin von Pappenheim durch ihre Vettern, die vier Brüder, insgemeim: Conrad, Wolf, Christof und Philippen, die Gott vor Unglück wöll beschützen.“


– von den 4 Söhnen des Grafen Wolfgang von Pappenheim


Diese Inschrift der Sandsteintafel über dem Westeingang vom Schlössle im Dr.-Schmidtchen-Weg 1 von Bad Grönenbach gibt dem Betrachter Aufschluss auf die Entstehung dieses Hauses. Das Schlössle ist ein streng symmetrischer, dreigeschoßiger Bau mit Zeltdach und seinen stattlichen Rundtürmen mit lieblich geschwungenen Hauben. Dieser Bau, als Witwensitz für die Edelfrauen des Pappenheimer Geschlechtes gedacht, erlebte eine bewegte Geschichte.

Inschriftentafel über dem Eingang

In der Zeit zwischen 1621 bis 1625, als der Religionsstreit in Grönenbach war, gewährte Anna von Pappenheim, die Witwe Philipps von Pappenheim, dem Prediger Adolf Langhans Unterschlupf und erlaubte ihm heimlich Gottesdienste abzuhalten. Im Jahr 1692 ging der Besitz der Pappenheimer an den Fürstabt von Kempten über und die Räume wurden Wohnsitz der fürstlichen Beamten, 1760 wurde das Haus Zweigstelle einer fürstlichen Kattunfabrik. Im Zuge der Säkularisation wurde das Schlössle 1803 Eigentum der bayerischen Krone und an den Gutsbesitzer Spatz verkauft. Danach erwarb es 1829 der Metzgermeister Xaver Albrecht. Dieser richtete im Erdgeschoß eine Metzgerei und Wurstküche ein, bewohnte selbst den 1. Stock und vermietete den 2. Stock an bis zu 6 Parteien. Nach rund 40 Jahren ging das Haus an den Wagnermeister Endres. Im Jahre 1872 erwarb es der Mühlenarzt Magnus Mayer, der die umliegenden Mühlen in Gang zu halten hatte. Er bewohnte es aber nur drei Jahre. 1875 wurde es Besitz des Bürgermeisters und Posthalters Josef Madlener. Es erfolgte eine gründliche Renovierung, das Satteldach (Giebel auf der Ost- und Westseite) verschwand und das jetzige Zeltdach wurde aufgesetzt. Ein alter Stich von 1725 zeigt das Schlössle noch mit einem Satteldach. Der mit Kieselsteinen gepflasterte Hausgang wurde mit Solnhofener Platten belegt und auf der Ostseite wurden Bäume gepflanzt. 1878 kaufte die Witwe Stölzle das stattliche Anwesen, bezog es aber selbst nie, sondern vermietete es nur. Es folgten noch sechs weitere Besitzer, kurzzeitig war es auch Poststelle. Seit dem 22. Mai 1906 ist das Schlössle in Familienbesitz. Dr. Munker – Dr. Schmidtchen – Angerer.


Die Großeltern der heutigen Besitzerin Dunja Angerer-Schmidtchen, der praktische Arzt Dr. Adolf Munker und seine Frau Emmy, geb. Bachmann, haben das Haus als Hochzeitsgeschenk von ihren Eltern bekommen. Sie zogen im Juli 1906 nach einer gründlichen Renovierung ins Schlössle ein. Deren Tochter Barbara heiratete 1940 den Arzt Dr. Georg Schmidtchen, der die Kneippkur in Grönenbach einführte. Sie renovierten 1963 die Außenfassade des Anwesens. In den 1970er Jahren fand auch eine Innenrenovierung statt. Letztmalig wurde 1994 eine gründliche Renovierung des Daches, sowie der Fassade und des Vorplatzes durchgeführt. Im Zuge dieser Dachrenovierung wurde ein handgefertigter Dachziegel mit der Jahreszahl 1563 gefunden. Dies deutet darauf hin, dass die Ziegel der vier Türme noch aus dem Erbauungsjahr stammten. Von zwei Türmen grüßen die Wetterfahnen: Eine mit dem stilisierten Familienwappen der Bachmann’s, welche an das Jahr 1906 erinnert, in dem das Schlössle in Familienbesitz überging. Bei dieser Wetterfahne könnte man auch das stilisierte Wappen von Bad Grönenbach vermuten. Die andere „Fahne“ zeigt das Memminger Stadtwappen und nennt jedem Gast die Heimatstadt von Karl-Hans Angerer und das Jahr der vorerst letzten Renovierung.

Unteres Schlössle, 1563, Bad Grönenbach

Quellen

  • Karl Schnieringer: Häusergeschichte der Marktgemeinde Grönenbach. Lachen, 1936/1937
  • Joseph Sedelmayer: Geschichte des Marktfleckens Grönenbach. Hrsg.: Historischer Verein zur gesamten Förderung der Heimatkunde des Allgäus. Kempten 1910 
  • Privatarchiv, Karl-Hans-Angerer, Bad Grönenbach
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